Berlin Velothon 2016
Das Jammer-Vorwort
Ja ich weiß, ich finde es auch grundsätzlich nervig, wenn sich Rennradfahrer schon vor dem Rennen für ihre Leistung entschuldigen. „Konnte kaum trainieren und war auch gesundheitlich angeschlagen *Hüstel-hüstel*. Fahre nicht auf Zeit, will nur gesund ins Ziel kommen.“ Und dann fahren sie doch wie Teufel-komm-raus, finishen schneller als erwartet, haben eine neue persönliche Bestzeit rausgehaun um dann schließlich auf die Frage im Ziel: „Wie lief’s denn?“ mit dem Kopf zu schütteln und zu antworten: „Hab mir das Rennen falsch eingeteilt und wohl zu wenig gegessen. Musste auch fast ausschließlich im Wind fahren, hatte keine gute Gruppe. Schlechter Schnitt, hätte gut und gerne 4 km/h schnell sein können.“ Und in Wirklichkeit sind sie stolz wie Oskar 😀
Aber genau dieses *Hauptsache gesund ankommen*, war dies Jahr das Motto von meiner Frau Kerstin und mir. Ich bin genau eine Woche vorher mit dem Rad gestürzt. Zum Glück nichts Schlimmes, aber Schulter und Hand schmerzten noch ein wenig. Meine Frau war schlechter dran; vor zwei Wochen (direkt zum Start einer Urlaubswoche) den kleinen Zeh so dermaßen gestoßen, dass an Radfahren gar nicht zu denken war, weil der Zeh zu dick war und in keinen Schuh passte. Von den Schmerzen mal abgesehen. Also war unsere Strategie Vorsicht-Vorsicht-Vorsicht. Aus jeder Gruppe raushalten und wenn’s nicht mehr geht mit dem Fuß, dann schieb ich Kerstin ins Ziel (denn an der Schulter festhalten ging ja nicht) 😉
Freitag und Samstag
Wir reisten bereits am Freitagmorgen an und holten am Nachmittag unsere Startunterlagen. Samstagmorgen ging es dann frühzeitig zur Messe. Ich liebe diese Radsportmessen. Am Canyon-Stand ein Foto mit Erik Zabel und ein paar Stände weiter trafen wir dann Herwig, von dem ich letzte Woche das HFS-Trikot in Schwarz erhalten habe. Beim Blick auf das rote HFS-Trikot (HFS = Helmuts-Fahrrad-Seiten) im Eingangsbereich wusste ich bereits, DAS wird mein nächsten Trikot werden.
Der Velothon in Berlin bietet mehr als die Jedermannrennen am Sonntag. Gegen Mittag schauten wir uns das Kids-Rennen an. Die Kinder freuen sich über die jubelnde Menge und schätzungsweise 99% der Kids interessiert weder die Platzierung, noch ob sie eine persönliche Bestzeit gefahren haben. Ja ich weiß, das wird sich bei den meisten im Alter ändern 😉
Anschließend gab es die Brompton World Championship. Brompton ist so ein Kult-Klapprad aus England, kannte ich vorher auch nicht. Wie auch immer, das Rennen war super. Die Fahrer und Fahrerrinnen waren very british gestylt. Eine Augenweide und mit einem richtigen Le Mans Start. Die Fahrer mussten vorher über die Straße zu ihren Klapprädern sprinten, entklappen und erst dann ging’s los. Klasse Event.
Der Renntag
Früh ging’s los. 60km und Block D hießen Startzeit 07:50 Uhr. Lief aber alles easy und das Wetter war top. Vom Hotel keine 10 Minuten mit dem Rad. Kerstin fühlte sich überraschend gut in dem Schuh, war ja auch mittlerweile zur Tape-Fachfrau geworden 🙂 Ich musste sie zu Beginn sogar etwas bremsen. Immerhin war das erst ihr zweites Jedermannrennen nach Hamburg 2015 und ihr fehlten die langen Touren auf dem Rennrad. Wie schon angekündigt fuhren wir meist weit rechts und hielten uns aus jeder Gruppe und jedem Windschatten raus.
Das erste Sturzopfer sahen wir schon nach ca. 15 km. Krankenwagen war schon vor Ort. Ich warnte meine Frau schon im Vorfeld vor der abfallenden Rechtskurve an der Havelchaussee nach einer Abfahrt. Eigentlich ist die Kurve kein Problem, auch bei höherem Tempo, aber hier liegen sie grundsätzlich in der Leitplanke. Auch diesmal wieder. Das der Krankenwagen dann immer bis in den Scheitelpunkt der Kurve fahren muss, macht die Lage auch nicht besser. Allerdings sind die Warnhinweise in Berlin meiner Meinung nach immer sehr deutlich und vorbildlich.
Ich fuhr zum ersten Mal im HFS-Trikot und war sehr stolz darauf, Helmut mit diesem Trikot Ehre erweisen zu können. Irgendwann rief mich auch ein anderer HFS-Fori an und kurz danach kam eine ganze Gruppe HFS-Foris, die in einer Gruppe zusammenfuhren. Kurzer, freundlicher Fotoaustausch, ich hab mich drüber gefreut.
Ich hab noch nie bei einem Jedermannrennen die Verpflegungsstation genutzt, aber diesmal. Ich musste einfach pinkeln 🙂 Meine Frau nutzte das auch gleich und so ging es nach einer kleinen Gewichtserleichterung weiter.
Ich mag die Strecke in Berlin, aber der Asphalt ist nicht immer der Beste. Das bekam so langsam auch meine Frau zu spüren; die kleinen Schläge von unten gefielen dem angeschlagenem Fuß so gar nicht.
„Schmerz vergeht, Stolz bleibt.“ Tja, meine Frau fand den Spruch genauso toll wie „Der Wind sind die Berge des Nordens.“ Aber sie schmunzelte drüber (und die Schmerzen weg).
So langsam machten sich dann bei Kerstin die fehlenden Kilometer und der Fuß bemerkbar. Nein, beschwert hat sie sich nicht; Männer jammern, Frauen nicht. Aber ich wäre ein schlechter Mann, wenn ich das bei meiner Frau nicht bemerken würde.
Fast noch ein Missgeschick an der letzten Kurve vor der Zieleinfahrt; der Fahrer rechts von meiner Frau schwenkte plötzlich nach links, meine Frau weichte natürlich auch nach links aus und ich bemerkte das fast zu spät und machte auch einen plötzlichen Schwenker nach links. Hinter mir wurde kurz geschimpft, aber alles gut. Glücklich fuhren Kerstin und ich über die Ziellinie und wir gönnten uns ein Erdinger. Na ja, Kerstin nippte und ich trank 🙂 Voila, geschafft.
Der Tag war noch nicht vorbei
Ab ins Hotel, duschen, lecker Sushi essen und wieder zum Event. Dort schauten wir den letzten Zielfahrern der 120km Runde zu, schlenderten nochmal über die Messe und verfolgten dann den Zieleinlauf des inoffiziellen World Championships RAD RACE Fixed24. Wie geil 😀 Die sind noch ’ne Spur bekloppter, als Rennradfahrer :-))). Das war sehr sehenswert. Keine Schaltung, keine Bremsen, aber feine Renner.
Und ein richtiges Profi-Feeling kam bei den 7 Zieleinläufen zur Deutschen Meisterschaft U23 auf. Wow, einfach klasse, das mal live mitzuerleben.
Man mag’s kaum glauben, aber das war’s dann auch. Nochmal lecker Essen gehen mit Schatzi, den Abend gemütlich verbringen und dann am Montagmorgen locker wieder nach Hause fahren.
Das war der Berlin Velothon 2016. Das Wochenende nur auf das Rennen zu begrenzen wäre falsch. Der gesamte Velothon ist ein irres Erlebnis. Viel mehr geht nicht. 2017 ganz sicher wieder dabei.
Thomas Tremmel