Kurt 31 „Endlich Video“

Ding Dong

Falsch vermutet, diesmal klingel ich bei Kurt. Neiiiiiiin, ich muss nicht nach Eiern oder Mehl fragen und mich schickt auch nicht meine Frau, ich bin ganz freiwillig nach eigenem Willen hier.

Die Tür öffnet sich einen Spalt und ich schaue in Kurt’s skeptisches Gesicht. „Vergiss es.“

Super, ich hab noch gar nichts gefragt. „Moin Kurt, wie geht’s?“ Der 5cm Türspalt verändert sich um keinen Millimeter. „Interessiert dich doch ’n Scheißdreck. Tschüsikowski“. Der Spalt verengte sich um 0,5cm.

„Warte, warte, ich interessiere mich für deine neue Kamera mit der Videofunktion.“ Der Spalt vergrößerte sich auf 7,5cm, das bedeutet Interesse.

„Wie bitte, willst du mich verkackeinern? Bist du nicht der Typ der gesagt hat, das wäre Humbug? Wer Video will soll sich eine Videokamera kaufen? Ein neues Gimmick für die Knipserfraktion? Überflüssiger Schnickschnack? Damit man von den schlechten Bildergebnissen ablenken kann?“

„Jaja, ich habe mich halt getäuscht. Es gibt Situationen, da ist das sehr nützlich und diese Situation ist gerade eingetreten. Ich will mir deine Kamera für einen Moment leihen.“

Der Türspalt weitet sich auf Maximum und Kurt steht mit in den Hüften gestemmten Händen vor mir. „Ich nix sprechen dein Sprach. Was bedeuten *von-dir-leihen*?“

Meeeeensch, ich möchte einmal erleben, dass er mir die Tür öffnet und sagt: ‚Aber gerne Thomas, hier hast du. Einen schönen Tag noch und lass dir Zeit mit Diesem oder Jenem.‘

„Kurt, ich brauch die nur für 1 Minute, ist eine einmalige Gelegenheit, hab auch meine eigene Speicherkarte dabei.“

„Hallo? Steht hier irgendwo *Kameraverleih* an der Haustür? Du kannst dir das Schmuckstück wohl mal eben anschauen damit du siehst, was du mit deiner Gurke verpasst, aber die Kamera verlässt auf keinen Fall dieses Grundstück.“

„Kurt, das soll sie ja auch gar nicht, deshalb habe ich ja eine Speicherkarte dabei. Gib mir einfach die Kamera für 1 Minute und ich gebe sie dir anschließend zurück. Ich bin immer in deiner Reichweite.“

Kurt runzelte die Stirn. „Was willst du filmen?“

„Gib sie mir und ich erzähl’s dir anschließend. Einmalige Gelegenheit. Du bekommst auch eine Kopie des Kurzfilms.“

Kurt ist zu neugierig, er kann dem nicht wiederstehen. Er holt die Kamera und drückt sie mir in die Hand. „Eine Minute, Zeit läuft, und in Sichtweite bleiben.“

„Jau, mog wi.“Ich lief vom Haustürvordach in den Vorgarten und stellte mich vor die große Birke im Vordergarten. Dann hielt ich die Kamera in Richtung Baumkrone und fing an zu filmen. Kurt stand immer noch in der Haustür und starrte mich an. Er konnte nicht verstehen was ich filmte, bewegte sich aber auch keinen Zentimeter nach draußen um nachzuschauen.

Mit einer Spiegelreflexkamera Videos drehen, total bekloppt. Dauert nicht mehr lange und dann kann man mit der DSLR auch Gemüse waschen. Und es wird User geben, die werden das in diversen Foren als sehr nützlich bezeichnen. Ich seh schon den Thread vor mir: *Firmware-Update 2.3; jetzt auch für Avocado.“

„So Kurt, das war’s. Schönen Dank auch.“ Ich entnahm die Speicherkarte und gab Kurt die Kamera zurück. Er schaute mich total verdutzt an. „Wieso filmst du meine Baumkrone?“

Ich lächelte und sagte: „Schau selber.“

Kurt folgte mir in den Vordergarten und schaute zur Birke hoch. Da sah er dann das Katzenmistvieh, wie es weit oben in der Baumkrone saß und hilflos miaute.“ Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen und jammerte: „Oh nein, Mietze, was machst du denn da oben.“

„Na was wohl? Katzen haben für Bäume immer nur ein One-Way-Ticket gebucht. Sie kommen rauf, aber wissen nicht wie’s wieder runtergeht.“

„Oh weh, ich hab sie gar nicht gehört, wie lange mag sie denn da schon sitzen?“

Könnte ich dir genau sagen, wenn ich wollte. Heute Morgen um 08.00 Uhr hat mich das Gejaule schon genervt. Da war noch kein Wind. Als der Wind gegen 11.00 Uhr stark auffrischte, dachte ich schon, gleich macht es plumps, aber das Mistvieh hat immer wieder die Kurve gekriegt. Du konntest sie nicht hören, weil du morgens immer deinen Heino-Sender so laut aufdrehst, und jetzt ist der Wind halt sehr stark und das Miaue wird von dem Wind in den Ästen überboten.

Ich sagte jedoch (besser ist das): „Keine Ahnung, bestimmt erst 5 Minuten.“

Kurt drehte sich zornig zu mir um: „Und da kommst du um das zu filmen, statt gleich Hilfe zu holen?“

„Na ja, ich dachte, wenn sie fällt und das mit dem *Katzen fallen immer auf ihre Beine* nur ein Gerücht ist, dann habt ihr wenigstens noch einen Film (und ich 50 Euro für *Ups die Pannenshow).“

Kurt lief gefährlich rot an: „Ich werd dir…..“ In dem Moment gab es ein extrem lautes Miau. Wir schauten beide zur Krone und sahen, wie die Katze sich nur noch mit zwei verkrallten Pfoten an einem Ast hielt (geil), nach zwei Sekunden nur noch mit einer Pfote (ich könnte heute mal ne Flasche Sekt aufmachen) und schließlich rückwärts runterfiel (ich hätte weiterfilmen sollen). Dann schlug sie einmal ziemlich unsanft gegen einen kleinen Ast (ich mag diesen Ast), drehte sich dann in der Luft und kam zugegebenermaßen sehr elegant auf allen Vieren auf. Sie leckte sich kurz eine Pfote und ging dann zwischen mir und Kurt langsam und unbeeindruckt durch die Tür ins Haus, als wenn nichts geschehen wäre.

Verdammt, der Schluss passt nicht zum Rest der Geschichte. Es sollte ein Happy End werden, für *MICH*.

Kurt schaute erst der Katze hinterher und dann zu mir. Ich mag’s ja kaum sagen, aber er hatte sanfte Augen und schien den Tränen nahe zu sein. „Sind Katzen nicht erstaunliche Tiere.“

Ich schaute ihn mit großen Augen an und sagte: „Es muss sich mit der Lotion einschmieren.“

Kurt schaute mich verwundert an. „Häää? Guckst du evtl. zu viel Fernsehen?“ Ich winkte ab. „Vergiss es.“

Kurt verschränkte die Arme, grinste und meinte: „Das ist mein Spruch. Scheint irgendwie nicht für dich gelaufen zu sein wie erwartet, oder?“

Er grinste weiter, ging ins Haus und mache die Tür wortlos zu.

Ja watt denn? Wie jetzt, selbst schuld, geschieht dir recht? Habt ihr eigentlich ne Ahnung wie schwer das war das Katzenfutter da oben auf den Ast zu platzieren?

Ich war einfach nicht very well vorbereitet. Wenn mich nicht alles täuscht, dann haben die Meyers einen tiefen Brunnen unter ihrem Baum.

Und etwas Katzenfutter sollte ich auch noch haben 🙂

😉

Thomas Tremmel