Kurt 22 „Der Weihnachtskurt“

Wie konnt ich Dussel mich nur auf so etwas einlassen. Da hätte ich eine Ausrede für haben müssen. Außerdem juckt das Scheißkostüm wie hulle und der Bart stinkt nach alten Socken, dass mir gleich übel wird.

Was mit mir los ist?

Ich stehe hier in einem roten Weihnachtsmannkostüm vor Kurts Haustür und trau mich nicht zu klingeln. Das hat alles meine Frau verbockt. Nur weil Kurt mal vor einigen Jahren für unsere Kinder den Weihnachtsmann gespielt hat, meinte sie, die hätten noch was gut.

Warum fragt der mich? Jedes Jahr macht das der dicke Müller beim Kurt und dies Jahr fragt der mich. Ist der bescheuert?

Was daran so schlimm ist? Seid ihr noch bei Trost? Im Wohnzimmer sitzt das absolute Grauen im Gestalt von Kurts Else, seiner oberzickigen Tochter Elvira und seinem kleinen Terror-Sohn Bruno. Und da soll ich jetzt den lustigen Weihnachtshampelmann spielen und einen auf witzig und fröhlich machen? Vielleicht sollte ich eine Bombe aus dem Sack holen und sagen: „Fröhliche Weihnachten und das Geschenk erst aufmachen, wenn der Weihnachtsmann wieder auf seinem Schlitten ist.“

Zu hart sagt ihr? Bei Kurt als Weihnachtsmann aufzutreten, *das* ist hart.

Irgendwas heckt der wieder aus, mit Sicherheit. Der weiß doch selber, dass der dicke Müller das viel besser macht.

Plötzlich geht die Haustür auf und Kurt schaut mich an. Na ja, dann wollen wir mal. „Hoho, der Weihnachtsmann ist da.“

Kurt ranzte mich gleich an: „Hast du einen an der Pfanne oder was? Du sollst durch den Garten kommen und von dort in das Wohnzimmer steigen. Der Sack steht vor der Terrassentür, und nu seh zu.“

Pratz, Tür wieder zu.

Warum kotz ich ihm nicht einfach vor die Haustür und geh nach Hause?

Jaja, ich geh ja schon.

Der Geschenkesack stand auf der Terrasse und ich schulterte ihn. Durch einen kleinen Spalt konnte ich das traute Familienglück sehen. Der kleine 10jährige Bruno hüpfte mit hochroter Birne wie ein Geisteskranker auf der Stelle. Kurt sprach beruhigend auf ihn ein. Elvira erforsche gerade die Geschenke aus ihrer Nase und Else bearbeitete mit irgendeinen Hobel ihre Füße. Was für eine Horrorfamilie. Der Mann von Elvira hat sich mit irgendeinen Nachtdienst entschuldigt. Der hat schnell gelernt.

Na ja, auf in den Kampf.

Ich öffnete die Tür und sofort kam mir das Geschrei von Bruno entgegen. „Geschenke, Geschenke, Geschenke.“

Ich trat ein. Elviras Hand, mit dem undefinierbarem Nasengeschenk auf ihrem Zeigefinger ging sofort nach hinten, der Hobel von Else flog in hohem Bogen nach hinten, Bruno drehte sich augenblicklich zu mir und Kurt wischte sich über die Stirn.

„Hoho, draußen vom Walde komm ich her und muss euch sagen…..“

„Aus unserem Garten kommst du Blödmann, da ist kein Wald.“ kreischte mir Bruno entgegen, um anschließend weiter zu schreien: „Geschenke, Geschenke, Geschenke.“

Ich werd noch irre. Na ja, bringe ich es hinter mich.

„Wart ihr denn alle brav?“

„Wir schon“, sagte Elvira herablassend, „aber du auch? Wenn ich mir so deinen Bauchumfang anschaue, dann hat der aber um einige Zentimeter zugenommen, oder?“

Olle Schnepfe, das muss mir gerade so ein Nilpferd sagen. „Ja weißt du liebe Elvira, mein Leitrenntier Rudolph hat mir zuviel rumgezickt und diskutiert, da ist er in der Suppe gelandet. War ganz praktisch. Als er gar war, ging die rote Nase an.“

Elvira zeigte ein entsetztes Gesicht und sagte zu ihrem Vater: „Papa, hast du das gehört, Papaaaa.“

Na ja, ich griff dann schnell in den Sack und holte die Geschenke raus. Kurt hatte an alle Geschenke kleine Namenszettel gemacht, die ich vor dem Verteilen natürlich abnehmen sollte. Die Reihenfolge hatte er auch festgelegt. Erst die Geschenke für Else, dann für Elvira, dann Bruno und zuletzt er. Das war natürlich nervig, da Bruno mit seinem Geschenkegebrüll nicht nachließ. Endlich kam aber auch Bruno an die Reihe. Erst holte ich die kleinen Päckchen heraus. Er riss die alle der Reihe nach auf, schaute sich die Sachen kurz an und nickte. Machte so den Eindruck, als wenn er irgendwo innerlich eine Liste abharkte.

Dann holte ich sein letztes Geschenk heraus, ein etwas größeres Paket. Brunos Augen leuchteten etwas auf. Da wurde anscheinend schon etwas erwartet. Bruno riss mir das Paket aus den Händen, entferne unsanft da Papier und starrte das Geschenk an. Totenstille. Er hob seinen Kopf und starrte mich mit den gleichen Blick an. Der Blick verhieß nichts Gutes. Er hielt mir das Paket hin und machte einen Blick, so als wenn er sagen sollte, was bitte ist das.

Ich schaute auf das Paket. Drauf stand:

Tobis tolles Bauernhofabenteuer. Sammle möglichst viele Zicklein und Schweinchen und werde Oberbauer

Auweia. Ich glaub Kurt war sich noch nicht darüber im klaren, dass dies nicht das erwartete Geschenk war, denn er schaute immer noch lächelnd auf Bruno.

Ich zuckte mit den Schultern…..und dann ging’s los. Bruno trat mir voll gegen das Schienbein und schrie los: „Ich wollte die Gamestation X2000 mit dem Spiel Krieg der Monsterfrauen und Blutmassaker in der Vorschule und du kommst mir mit so einem Scheiß.“

Ich humpelte auf einem Bein. Der hat genau die richtige Stelle am Schienbein getroffen, kleines Mistblag. Ich drehte mich gerade wieder um, da schmiss er mir Tobis tolles Bauernhofabenteuer gegen den Kopf. Ich stolperte nach hinten und fiel, wie sollte es anders sein, über das Katzenmistvieh. Ich versuchte mich irgendwo festzuhalten, was sich als schlechte Idee herausstellte. Ohne hinzusehen ergriff ich den Tannenbaum, mit dem ich dann gemeinsam meinen Sturz gen Boden fortführte. Das Wasser aus dem Ständer lief mir in den Schritt, der Weihnachtsengel saß mir auf der Nase und das Lametta verfing sich in meinem Bart (der übrigens immer schlimmer nach alten Socken stank, falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte).

So lag ich auf dem Boden, alle Viere von mir gestreckt. Warum muss es immer noch schlimmer werden, als ich mir eh schon vorgestellt habe? Womit habe ich das nur verdient.

Bruno tobte, Kurt und Else versuchten ihn zu beruhigen. Elvira hielt sich beide Hände an die Ohren. Sie hatte ein großes Marzipanbrot im Mund, an dem sie jetzt fast erstickte, weil sie ja die Hände nicht frei hatte.

Was für eine Horrorfamilie.

Da fiel mir ein, dass ja noch ein Geschenk im Sack war. Kurt war ja noch gar nicht an der Reihe. Ich schaute in den Sack und ergriff das Paket. Das Papier war durch den Sturz an einer Seite eingerissen und ich konnte ein paar Buchstaben erkennen. Cona….. Moooooment mal. Jetzt wurde mir augenblicklich klar warum ich den Weihnachtsmann spielen sollte. Kurt hat seine Beziehungen zu Foto Karl spielen lassen und hat sich selbst das neue Conanioly 70-200mm Objektiv mit Image Stabilizer, GPS und Navi geschenkt, auf das ich schon so lange scharf bin und das nirgendwo zu bekommen ist. Na das wäre ja für ihn die Krönung des Abends gewesen, wenn ich ihm das als Weihnachtsmann übergebe und er beim Auspacken mein Gesicht sehen darf. So ein Mistkerl. Na warte, die Suppe werde ich dir versalzen.

Ich machte mich wieder auf die Beine, hielt den immer noch schreienden und tobenden Bruno das Geschenk hin und sagte: „Warte Bruno, da ist doch noch ein Geschenk für dich.“ Bruno wurde schlagartig ruhig und nahm das Geschenk. Er packte das Objektiv aus, sah es skeptisch an, schüttelte es und fragte dann: „Ein Fernrohr, oder was is das?“

„Neinnein, das ist ein Versehen vom Weihnachtsmann. Bruno, das ist für Papa, gib es mir.“ Kurt war sichtlich nervös und schwitzte Blut und Wasser.

Bruno zog das Objektiv näher an sich ran und schaute fragend auf mich. Ich sagte dann: „Neinnein, der Weihnachtsmann macht keine Fehler. Das ist dein Geschenk. Ein sogenanntes Tauschgeschenk. Damit kann man sich Wünsche erfüllen.“

Kurt wurde jetzt etwas zornig. „Bruno, gib das Papa, damit kannst du nichts anfangen. Das ist ein Objektiv für meine Kamera.“

Bruno drückte das Objektiv noch fester an sich und fing an zu schreien: „Finger weg. Der Weihnachtsmann hat gesagt das ist mein Tauschgeschenk und der Weihnachtsmann lügt nie.“

Kurt lief hochrot an und schenkte mir einen sehr bösen Blick. Bruno hingegen lockerte sich und fragte mich: „Wogegen kann ich das denn eintauschen.“

„Alles, was dem gleichen Wert entspricht.“

„Was ist das Fernglasobjektiv denn wert?“

„Na ja,“ meinte ich, „so knapp 1800 Euro.“

Kurt brachte ganz hektisch ein: „Also das hab ich schon für 1200 gesehen.“

Bruno fragte weiter: „Reicht das für eine Gamestation X2000 und zwei Spiele?“

„Mindestens“, sagte ich.

Bruno schaute mich intensiver an. „Vier Spiele?“

„Ich glaub das könnte passen. Du musst nur jemanden finden, der das mit dir tauscht. Wenn du niemanden findest, dann nehme ich das Objektiv mit und bringe dir gleich nach Weihnachten die gewünschten Geschenke.“

Kurt drängte sich nach vorne. „Nene, is schon gut. Ich nehm das Objektiv. Gleich nach Weihnachten gehen wir los, Bruno, und dann kaufen wir dir deine Sachen. Und ich glaub, der Weihnachtsmann muss jetzt noch weitere Familien ärgern, äh ich meine beschenken.“

„Jojo, dann macht’s mal gut und weiter schöne Weihnachten.“

Ich wollte gerade die Tür hinter mir zumachen, da rief mir Bruno hinterher: „Schöne Weihnachten Onkel Thomas. Und dein Bart stinkt übrigens genauso ekelig wie der alte Weihnachtsbart von Papa. Spielst du zu Ostern eigentlich auch den Osterhasen?“

Ich würd’s ja machen, aber ich glaube Kurt hat Angst, dass ich ihm da ein paar faule Eier ins Nest lege.

😉

Thomas Tremmel