BeiträgeFotografie Tipps+Tricks

Bildkritik – Erste Schritte

Der Aufruf zur BK

Haben Sie sich schon mal überlegt, warum Sie ihr Bild einer Bildkritik aussetzen? Eigentlich ist das ganz einfach, Sie erwarten vom Kritiker eine Aussage, die Sie sich selber nicht geben können. Das wäre z. B.:

  • Gefällt es dem Betrachter oder nicht?
  • Gibt es technische und/oder gestalterische Mängel in dem Bild?
  • Hat das Bild eine gute Bildwirkung?
  • Tipps für Verbesserungen?
  • Erfüllt es den von mir beabsichtigten Verwendungszweck?

Werden Ihnen diese Fragen beantwortet, dann war das auf jeden Fall eine hilfreiche Bildkritik.

ADC_01
Ich find’s ja ganz lustig, aber ob die Bäume hinten stören? Ich mach mal ’ne BK.

Leider werden die meisten Bilder aber aus einem ganz anderen Grund zur Bildkritik vorgelegt; der Autor ist von seinem eigenen Bild begeistert, voller Stolz, und möchte dafür Lob und Anerkennung vom Kritiker. Und genau das ist ein großer Fehler des Autors, denn er ist ja von seinem Bild überzeugt und begeistert und möchte deshalb gar nicht wissen, was daran falsch sein soll oder was man besser machen könnte. Und wenn jetzt genau die oben angegebenen Fragen vom Kritiker beantwortet werden, und zwar ohne Lobeshymnen, dann kann das ggf. zu einer großen Unzufriedenheit des Autors und in einer mit persönlichen Beleidigungen erfüllten Bildkritik enden.

Glauben Sie nicht? Doch, ist so, geht mir doch nicht anders. Ich werde mich hüten ein Bild zur BK vorzulegen, von dem ich selbst total begeistert bin. Ich will da nichts Negatives drüber hören, mir gefällt’s so wie es ist, basta.

Brodten_01
Das fehlt mir noch, dass da jemand kommt und evtl. sagt, ihn stört der linke Stein, oder dass der Baum keine Blätter hat. Ich find das Bild total geil und lass mir das nicht zerreden.

Ich lege Bilder zur BK vor, wenn ich mir selber z. B. folgende Fragen stelle:

  • Mir gefällt’s, aber liegt es evtl. nur an den vielen positiven Erinnerungen, die ich mit dem Aufnahmeort verbinde?
  • Hmm, irgendwas an dem Bild stört, aber ich komm nicht drauf.
  • Ob die Bildwirkung wohl beim Betrachter ankommt?
  • Stört die Schrift in dem Bild oder eher nicht?
  • Ob das Bild zum ausgeschriebenen Thema passt?
Efeuzimmer
Hmm, also irgendwie…ich weiß nicht…ob das Licht…fehlt da vielleicht… Ach komm, ich mach mal ’ne BK.

Alles klar?

Möchten Sie *ausschließlich* Lob, bitte keine BK.

Möchten Sie etwas darüber erfahren, wie das Bild beim Betrachter oder zu einem bestimmten Zweck ankommt, unbedingt eine BK.

Ist mein Bild gut oder schlecht? 

Wenn Sie so zu einer BK aufrufen, dann kann das schon zu Problemen führen. Ich möchte Ihnen das mal an folgendem Bild demonstrieren.

Machtlos

Ist das ein gutes Bild?

Ich war mir unsicher, deshalb bin ich zu einem erfolgreichen Wettbewerbsfotografen gegangen, der gleichzeitig auch als Journalist arbeitet. Seine Meinung: „Ja sicher ist das ein gutes Bild. Voller Emotionen, die Bildwirkung trifft den Betrachter sofort, klasse gestaltet und ein super passendes Licht. Ein Gewinnerbild.“

Puh, da war ich aber happy. Also hab ich’s gleich zum Wettbewerb „Witzige Straßensituationen“ geschickt. Das Bild habe ich dann mit einem bitterbösen Brief des Veranstalters wiederbekommen. Unter anderem schrieb er, dass mein Bild das denkbar schlechteste Bild für diesen Wettbewerb wäre, das er sich vorstellen könnte.

Na ja, wahrscheinlich hatte der keine Ahnung. Neuer Versuch; ich habe das Bild dann an einen Baseballschläger-Hersteller geschickt, ob er das nicht für eine Werbekampagne nutzen möchte. Die Drohung mit einem Anwalt fand ich etwas übertrieben, aber das hat mir ganz schön zugesetzt. Auch, dass der Hersteller mein Bild für eine Werbekampagne extrem schlecht fand.

Was denn nu? Ist mein Bild nun schlecht oder gut?

Genau, ob ein Bild gut oder schlecht ist, ist rein abhängig vom Zweck, für das es entweder eher gut oder eher schlecht geeignet ist.

muddy_34
Für die ebay-Anzeige: „Abendkleid, sehr guter Zustand“, ist das ein ziemliches Sch…-Bild, äh ich meine, wenig gut geeignet 😉

Vergessen Sie diesen Quatsch mit ‚ein Bild muss eine Geschichte erzählen‘, ‚es muss mich berühren‘, ‚ich muss es länger als 2 Sekunden betrachten‘ usw. Das *kann* ein Kriterium sein, aber nur für Bilder, die einen in dieser Richtung dienlichen Zweck erfüllen sollen.

BT_EWE
„Hey Aldeeer, was guckst du? Willst du Geschichte, komm erzähl ich dir.“

Ein Bild von einem neuen Waschmittel wird mir wohl kaum eine Geschichte erzählen und es wird mich auch wenig berühren, aber für den Waschmittelhersteller kann es das am besten geeignetste Bild für seine Waschmittelwerbung sein. Und das Bild einer leckeren Bockwurst assoziiert in mir *Hungääär*. Wenn das der Zweck des Bildes ist, dann ist es ein gutes Bild. Ohne, dass mir die Bockwurst eine Geschichte erzählt.

Es kann also von Vorteil sein, wenn sie bei der BK bemerken, für welchen Zweck Sie das Bild gemacht haben. Dann kann der Kritiker es unter diesem Gesichtspunkt kritisieren. Machen Sie das nicht, beurteilt der Kritiker das Bild immer als Einzelbild mit seiner spontanen Bildwirkung. Das ist allerdings in den meisten Fällen auch so gewollt.

Und dann, ja dann kann es durchaus sein, dass das Bild eine Geschichte erzählen muss, dass es Emotionen auslösen sollte und dass der Betrachter länger als 2 Sekunden auf das Bild schaut.

Die so oft gescholtenen Urlaubserinnerungen sind immer dann gute Bilder, wenn sie eben diese Urlaubserinnerungen gut festhalten. Viele Autoren machen dann jedoch den Fehler, dass sie die überschwänglichen und begeisternden Kommentare der Familie als Bestätigung dafür sehen, dass es sich um ein Top-Bild handelt und legen dieses Bild für eine allgemeine BK vor. Dort hat das Bild jedoch andere Ansprüche zu erfüllen und kommt entsprechend unter die Räder.

P1010255
Komisch, meine Familie fand das ein Super-Bild, und bei einer BK schrieben alle nur *Tonne, Tonne, Tonne*

Der subjektive Eindruck

Ein Bild und drei Meinungen.

STPO

  1.  „Eine ganz starke Bildwirkung mit einer sehr passenden und beeindruckenden Bildbearbeitung.“
  2. „Sehr unrealistisches Bild. Die Bearbeitung macht ein evtl. interessantes Bild total kaputt.“
  3. „Ein Haus in der Wüste? Was soll das?“

Alle drei Meinungen sind rein subjektiv. Bei einer subjektiven BK gibt es weder falsch noch richtig. Der subjektive Eindruck spiegelt, vorrausgesetzt er ist ehrlich, rein das Empfinden der Bildwirkung auf den Betrachter wieder.

Der Autor muss das nicht teilen, aber akzeptieren.

Ein subjektiver Eindruck muss nicht begründet werden, da es eine rein emotionelle Äußerung ist.

Und da sind wir wieder bei dem „Mit ‚Finde ich doof‘ kann ich nichts anfangen, begründe das bitte.“ Falsch, das muss ich nicht begründen. Ich kann das auch gar nicht immer begründen. Ich schau mir ein Bild an, daran gibt es eigentlich nichts auszusetzen, technisch einwandfrei, ordentlich gestaltet. Ich find’s aber trotzdem doof, es gefällt mir nicht. Das ist einfach meine empfundene Emotion, die das Bild bei mir auslöst.

Eine subjektive Bildkritik ist in der Vielzahl hilfreich, aufgrund der Tendenz. Zeige ich das Bild 30 Leuten und alle 30 sagen: „Langweilig“, dann solle mir das schon zu denken geben, oder?

Sassnitz_01
Ich find’s toll, andere mögen es nicht. Das hab ich zu akzeptieren.

Der subjektive Bildeindruck beim Betrachter entsteht durch:

  • Erfahrung
  • Vorlieben
  • Erlebnisse
  • Verhältnis zum Autor
  • Sympathie/Antipathie gegenüber dem Autor
  • Bewussten oder unbewussten Abneigungen
  • Reife
  • Toleranz gegenüber anderen Sichtweisen usw.

Ein subjektiver Kommentar wühlt mehr im emotionalen Bereich des Autors als ein sachlich objektiver Kommentar.

Positive und negative Kritik

Ein Fotoclubkollege schrieb mir mal in einer E-Mail:

„Um die Teilnahme an den Bildkritikabenden zu verbessern, ist eine positive konstruktive Kritik unabdingbar“

Zwei wichtige Schlagwörter. Positive und konstruktive Kritik.

Was ist eine positive und was eine negative Kritik?

Eine positive Kritik haben wir immer dann, wenn die Kritik ehrlich ist und das Bild betrifft.

Eine negative Kritik haben wir immer dann, wenn die Kritik unehrlich ist und nicht auf das Bild, sondern auf den Autor gezielt wird.

Und daraus ergibt sich auch eine ganz klare Tatsache; wenn man ein schlechtes Bild nicht entsprechend kritisieren möchte, dann hat das nichts mit Höflichkeit zu tun, sondern das ist Feigheit.

P1010260
„Schönes Motiv“; ganz böse negative Kritik. „Das Bild ist unterbelichtet und extrem langweilig“; konstruktiv, subjektiv und ehrlich; positive Kritik.

Die konstruktive Kritik

Was bedeutet konstruktive Kritik?

Konstruktive Kritik bedeutet, dass sich der Kritiker zu Themen wie Gestaltung, Idee, Bildwirkung, technische Umsetzung usw. äußert, der Autor diese Punkte nachvollziehen und evtl. beim nächsten Mal anwenden kann um die Bildwirkung zu verbessern. Hier ist der Unterschied zur subjektiven Kritik.

Objektive und subjektive Kritik ist aber immer in gemeinsamer Form vorhanden, denn die objektiven Kriterien bzw. Mängel des Bildes werden ja deshalb angesprochen, weil subjektiv keine gute Bildwirkung entsteht.

EPV0404
„Horizont ist schief, Himmel zwar richtig belichtet, der Vordergrund dafür aber viel zu dunkel.“ Jo, dankeschön.

Bei einem Bild kann aber auch objektiv anscheinend alles richtig gemacht worden sein, und trotzdem hat es keine besondere Bildwirkung. Hier ist die größte Scheu beim Kritiker vorhanden, denn er findet keine offensichtlichen, objektiven Mängel an dem Bild, findet es aber subjektiv trotzdem schlecht. Schlagwörter die diesen Zustand sehr gut treffen, sind langweiliges oder totes Bild.

Die Krux bei einer konstruktiven, objektiven, sachlichen Bildkritik ist, dass, wenn dem Autor diese Kritik nicht gefällt, sie als zu *techniklastig* bezeichnet wird. Die emotionale Seite, die auf die subjektive Meinung baut, wird dann aber auch nicht gerne gesehen. Akzeptieren sie’s einfach, einigen Autoren kann man’s nie recht machen, wenn ihr Bild nicht gut wegkommt.

Objektive Bildkriterien

Es gibt hierfür kein Handbuch. Dinge, die in dem einen Bild stören, können in einem anderen zur Verbesserung der Bildwirkung beitragen. Ein kleines Hilfsmittel bei störenden Dingen im Bild, wenn der Kritiker der Meinung ist, dass es stört und der Autor nicht, ist der Versuch, sich das Bild ohne dieses Ding vorzustellen. Wenn man dann nichts vermisst, ist das Ding meist überflüssig.

IMG_8729
Objektive Komponente Horizont; in fast 99% aller Fälle ist es ein Fehler, wenn er nicht zu 100% gerade ist, da es die Bildwirkung negativ beeinflusst. Diese Tatsache stur anzuwenden wäre jedoch falsch, denn auch ein schräger Horizont *kann* die Bildwirkung erhöhen.

Bei den objektiven Kriterien muss man sich überlegen, ob die Bildwirkung verbessert oder verschlechtert wird.

Beispiele sind:

–          falsche Farbtemperatur
–          schiefer Horizont
–          unscharf
–          Sensorflecken
–          falsch belichtet
–          falscher Ausschnitt
–          zu viel auf dem Bild
–          falsches Licht
–          Bildbearbeitung

Eine falsche Farbtemperatur ist oft ein Bildmangel, kann aber auch zur Erhöhung der Bildwirkung angewandt worden sein. Die Frage ist nur, kommt das beim Betrachter an.

Elbe_Eis_01
Das Umfeld vom Eisblock ist mit seiner Farbtemperatur weit im kühlen, blauen Bereich. Fehler oder gestalterische Maßnahme zur Erhöhung der Bildwirkung? Überlegen sie nicht so viel, lassen sie doch einfach die Bildwirkung auf sich wirken (subjektiv).

Um objektive Kriterien richtig einschätzen zu können, ist wieder der subjektive Bildeindruck wichtig. Wenn mir das Bild nicht gefällt, frage ich mich einfach, warum das so ist. Hier muss ich dann für mich festlegen können, ob mir das Bild nicht gefällt, weil ich mit irgendwas im Bild negative Erinnerungen oder ähnliches verbinde, oder ob Bildmängel keine gute Bildwirkung bei mir auslösen.

Bei einem Juror ist diese Eigenschaft extrem wichtig. Er muss seinen persönlichen Geschmack weitgehendst abstellen und sich nur auf die objektiven Kriterien berufen, die dann bei ihm eine gute Bildwirkung ankommen lassen.

Da ich z. B. keine Katzen mag, haben es Katzenbilder aufgrund meiner Abneigung gegen diese Viecher immer sehr schwer. Als Juror muss ich mich aber von dieser persönlichen Empfindung möglichst gut trennen können.

Eine Bildkritik ist aber immer eine Bildbesprechung und keine Jurierung. Eine Jurierung hat andere Voraussetzungen zu erfüllen. Das wird aber ein eigenes Thema auf unseren Seiten werden.

Wo oder wem stelle ich mein Bild zur BK vor?

Im weitesten Sinnen können Sie jedem ihr Bild zur Bildkritik vorlegen, denn einen subjektiven Eindruck hinterlässt das Bild bei jedem Betrachter. Es ist nur wichtig, dass der Betrachter seinen Bildeindruck ehrlich wiedergibt, was selten genug ist. Ein negatives Beispiel sind hier leider die vielen Fotocommunitys, in denen es dem Betrachter in den meisten Fällen weniger um die Äußerung einer Bildkritik als um übertriebene und falsche Höflichkeit geht. Das ist dann, wie schon weiter oben angesprochen, eine negative Kritik, die aber leider auch von vielen Autoren gewünscht wird.

Objektive Kriterien werden Sie wohl nur von jemand erwarten können, der selber schon über eine gute Erfahrung betreffend Bildbesprechungen verfügt.

Legen Sie ihr Bild einfach möglichst vielen Leuten mit unterschiedlicher Kompetenz vor und betrachten sie ihr Bild mit den von den Kritikern angesprochenen Punkten. Sie müssen auf keinen Fall all den Äußerungen zustimmen, aber hier und da macht es dann ja vielleicht doch mal *Klick* und schon war die BK hilfreich.

Und wenn Ihr Lieblingsbild dann bei den Kritikern unter die Räder gekommen ist, danken sie diesen, dass sie das Bild nicht mit in ihre Ausstellung genommen haben, aber hängen sie es sich selbst in ihr Arbeitszimmer, denn auch wenn alle Kritiker ihr Bild zerreißen, so darf es doch noch weiterhin ihr Lieblingsbild bleiben.

Thomas Tremmel