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Rad am Ring 2019 – Lächelnd durch den Dauerregen

Der Regen bei 80 km/h in der Fuchsröhre fühlte sich an wie ein Nadelkissen im Gesicht. Schwer vorstellbar, dass wir am Freitag auf der Hinfahrt zum Nürburgring auf Höhe Köln noch 40°C auf der Temperaturanzeige abgelesen haben und wir jetzt gerade bei 13° C ein kostenloses Gesichtspeeling im Dauerregen bekommen.

Die Eifel und der Nürburgring schreiben halt wettermäßig ihre eigenen Gesetze. So packt man, auch wenn man bei über 30°C und Sonne pur aus Harsefeld losfährt, immer auch komplettes Regenzeug und warme Klamotten ein.

Wir waren früh dran und schlenderten vorher nochmal zur Nordschleife am Hatzenbach.

Da Kai und ich dies Jahr weder Wohnwagen noch Wohnmobil hatten, mussten wir ein wenig improvisieren. Wir buchten jeder ein Zimmer mit Frühstück in einer Pension und Kai besorgte noch einen Pavillon für unsere Parzelle an der Strecke, was sich im Nachhinein als verdammt gute Idee herausstellte.

Unser eigentlich dritter Mitfahrer Jörn konnte leider nicht teilnehmen und wir schafften es auch nicht mehr seine Parzelle an den Mann zu bringen. So standen, nach einem wilden Parzellen-Wechselspiel, Ramona und Torsten aus Harsefeld mit ihrem Wohnmobil neben uns, die auch die Nordschleife als Einzelfahrer bezwingen wollten.

Schnell die Startunterlagen geholt und ein kleiner Gang über die Messe. Außer dem obligatorischem Rad am Ring Trikot wurde jedoch nichts gekauft.

Kai und ich waren für Freitagabend bei der Klappradgruppe 20 Zoll Bagasch zum Bier eingeladen. Wow, was für ein tolles und gastfreundliches Team. Obwohl noch in der Aufbauphase, wurden wir freundlich begrüßt und man nahm sich die Zeit um mit uns zu Schnacken und Bier zu trinken.

Nicht nur die Fahrer, sondern auch die Klappräder sind der absolute Hammer. Und auch wenn der Spaß bei der Truppe sicherlich im Vordergrund steht; die Klappräder sind alles Singelspeed. Damit werden gleichzeitig Fuchsröhre und Hohe Acht bewältigt. Unglaublich. Nur mit Spaß ist das nicht zu bewältigen. Dahinter steckt mit Sicherheit Beinha… äh…Klappradhartes Training.

Und ich hab mich echt weggeschmissen, als standesgemäß jeder Fahrer mit Tabac Orginal eingesprüht wurde.

Beim Rückweg mit leichtem Glimmer (2 Bier) meinte Kai noch  richtigerweise, alleine dafür hatte sich die Anreise zum Nürburgring schon gelohnt. Danke an die 20 Zoll Bagasch, dass wir euren Klappradgeist für einen Moment teilen durften.

Am nächsten Morgen, nach einer Nacht im warmen Bett und einem leckeren Frühstück, machten Kai und ich unsere Räder und Ausrüstung klar für den Start. Noch ein Gruppenfoto mit einer doch kleinen Gruppe von Kilometer für Kinder und schon ging’s mit Ramona und Torsten zum Start.

Felicitas und Kai aus Harsefeld waren bereits weit vorne im Startblock, bei den 75km bzw. 25km Jedermännern. Wir als Einzelstarter waren ganz hinten im Startbereich, direkt vor den 24h Mountainbikern.

Das Wetter war immer noch sehr gut und wir hatten die Hoffnung, dass es so bleibt. Ich war mir nicht ganz sicher, hatte aber das Gefühl, aus dem Himmel ein schadenfrohes Lachen zu hören.

Auf ging’s. Vom Ringsprecher war noch zu hören: „…ihr werdet es lieben und ihr werden es hassen…“. Ja, is so.

Das Starterfeld kam mir diesmal deutlich größer vor als sonst. Zum Glück waren wir weit hinten und somit auch weit entfernt von den Fahrern, die mit dem Messer zwischen den Zähnen fuhren. Erst mal ging es über den Grand Prix Kurs und dann beim Hatzenbach gleich mit viel Gefälle in die Nordschleife. Und genau dort passierte es bereits in der ersten Kurve. Mehrere Fahrer lagen auf dem Boden und wir donnerten mit mehr als 50 km/h genau darauf zu. Da ist nicht mal eben mit schnell Bremsen und zum Stillstand kommen. Ich fuhr äußerst links und konnte mich glücklicherweise daran vorbeischlängeln, auch weil der Fahrer vor zum Glück seine Linie hielt.

Torsten fuhr ganz rechts und meinte später zu mir, er musste auf dem Grünstreifen ausweichen und hatte die Augen schon geschlossen. Zum Glück ging auch bei ihm alles gut. Ramona meinte später, sie hätte mindestens 6 Fahrer gezählt.

Puh, gleich eine Schrecksekunde am Anfang des Rennens. Das ist halt die Gefahr der ersten Runden; alle 24hrs-Fahrer auf der Stecke plus 25km, 75km und 150km Jedermänner. Die Einen fahren mit dem Messer zwischen den Zähnen, die Anderen sehr vorsichtig mit allerhöchstem Respekt vor der Nordschleife. Die Einen mit viel Erfahrung, die Anderen zum ersten Mal. Wie auch beim Autofahren, wissen die Einen, wie man eine Kurve nimmt und Andere halt nicht. Kommt das dann auf einer Abfahrt in einer Kurve zusammen, dann kann genau das passieren, was am Hatzenbach passiert ist. Ich muss aber dazu sagen, das ist der erste Massencrash, den ich je auf der Nordschleife gesehen habe.

An der Quiddelbacher Höhe konnte man die Schaltwerke wieder schreien hören und im rechten Grünstreifen den Einen oder Anderen Fahrer stehen, der, mit Glück, nur seine Kette wieder auflegen musste.

Das Feld zog sich langsam auseinander und so konnte man die Fuchsröhre auch mit Vollgas nehmen. Leider stand der Wind nicht so günstig und so war diesmal bei 89 km/h Schluss.

Den nächsten Abgang sahen wir dann in der Kurve Kallenhard, wo es wohl einen Fahrer aus der Kurve getragen hat. Kallenhard ist ähnlich wie der Einstieg zur Fuchsröhre. Ja, kann man auch voll nehmen, aber man darf dann nicht kurz vorm Kurvenausgang die Büchse voll kriegen und Richtung Leitplanke schauen, dann war’s das nämlich. Zumindest aus meiner Vorsicht-Fahrer-Nicht-Abfahrtspezialist-Sicht.

Ahhhhh, schööööön, es könnte ewig so weitergehen, aber irgendwann kommt die Exmühle und dann heißt es, zumindest bei mir, schnell auf kleines Kettenblatt und großes Ritzel. Ab jetzt heißt es sich auf ca. 7km die Höhenmeter wieder zu erarbeiten. Das fällt in der ersten Runde noch nicht ganz so schwer. Im Gegensatz zu den Jahren zuvor, sah ich aber bereits in den ersten zwei Runden schon relativ viele Fahrer, die ihre Räder die Steigung hochschoben.

An der Hohen Acht gab es dann an der Verpflegungsstelle endlich wieder die leckere Wurst. Weil es so warm war, habe ich relativ viel getrunken für meine Verhältnisse. Zu viel, ich musste bestimmt jede Runde wieder was ablassen 🙂

Irgendwann noch ein Unfall am Brünnchen. Das hat aber schon Tradition. Dort schmeißen sich auch die Touristenfahrer regelmäßig raus. Die YouTuber stellen fast immer dort ihre Kamera auf. Blöd nur, weil der Rettungswagen immer im Kurvenausgang steht.

Der Himmel wurde dunkler, aber es blieb trocken. Bis kurz vorm Ende der dritten Runde. Kai und ich schafften es gerade noch ins Zelt, Ramona und Torsten wurden volle Kanne erwischt.

Ich glaub wir saßen so ca. eine dreiviertel Stunde rum, dann zog ich, unter großen Augen der Anwesenden, meine Regenklamotten an und machte mich wieder auf den Weg. Wird schon irgendwann wieder aufhören meinte ich noch. Die Anderen konnten das natürlich nicht auf sich sitzen lassen und machten sich eine halbe Stunde später auch wieder auf den Weg. Meine weiße Regenhose sorgte übrigens für Begeisterung, nicht nur bei mir 😀

Jo, aber dann regnete es nur noch, mal mehr, mal weniger. Gegen Abend dann wieder weniger. Ich futterte noch ein Portion Nudeln im Food-Corner und machte mich dann auf in die Nacht. Btw; die Möglichkeiten sich am Ring zu verpflegen halte ich eher für suboptimal. Außer dem Food-Corner, der gesalzene Preise hat, gibt es nix. Food-Trucks sind da wohl eher nicht gestattet.

Trocken ging es in die Nacht, bis zur Hohen Acht, dann ging es wieder los mit dem Wasser von oben. Regen in der Nacht musste ich nicht haben und so machte ich mich nach dieser Runde auf den Weg in die Pension, obwohl ich ursprünglich noch eine Runde ranhängen wollte. Kai machte es mir übrigens nach.

Den Wecker stellte ich auf 04:00 Uhr, Frühstück war geplant für 07:00 Uhr. Draußen war es um 04:00 Uhr aber nicht nur stockeduster, sondern auch total nebelig. Tja, Wecker auf 05:00 Uhr erweitert und Augen wieder zu. 05:00 Uhr nicht mehr so dunkel, aber extrem nebelig. Ne, dann halt erst nach dem Frühstück weiterfahren.

Dann hörte ich Kais Freilauf; der Sack. Ich lieg hier in der Stinke und er fährt los. Mein schlechtes Gewissen hielt genau 20 Minuten, dann fing es an zu schütten wie aus Eimern. Ich dachte an Kai und zog meine Bettdecke wieder grinsend bis zu meiner Nase.

Kai war dann auch pünktlich beim Frühstück. Vorher nass von außen und innen. Er dachte, es wird morgens vielleicht kalt und zog eine lange Hose und ein Langarmshirt an; sehr hohe Luftfeuchtigkeit, kein Wind und sehr warm am Morgen. Gute Kombi, zumindest unter meiner Bettdecke passte das 😀

Nach einem (sehr) ausgiebigen Frühstück ging es dann wieder zum Ring in den Dauerregen. Ganz ehrlich? Das war uns mittlerweile schnuppe. Wir lachten von Runde zu Runde immer mehr. Kann natürlich auch sein, dass wir immer mehr dem Wahnsinn verfielen. Wuaaahhhaaa 🙂

Mit Torsten verabredeten wir uns in der letzten Runde an der Hohen Acht, weil wir drei gemeinsam ins Ziel fahren wollten. Das klappte auch sehr gut. Auf der letzten Runde gab der Himmel nochmal alles und es regnete wie aus Eimern. Auf dem Asphalt flossen mittlerweile kleine Bäche, die hier und da auch schon mit Sand vermischt waren. Da hieß es vorsichtig fahren und frühzeitig bremsen.

Weohweh, ich glaub zum Stillstand wäre ich mit meinen Felgenbremsen auf den  Abfahrten nicht gekommen. Hohes Tempo, Gefälle und massiver Regen sind für Felgenbremsen nicht die beste Kombination.

In der Fuchsröhre war das wurscht, da bremst die anschließende Steigung zum Adenauer Forst. Dafür dache nach der Fuchsröhre, dass der Regen mein Gesicht aufgerissen hat. Alter Schwede, tausend Nadelstiche sollen dich küssen.

Ach ja, fotografiert habe ich so gut wie überhaupt nicht. Mir hat’s einfach zu stark geregnet.

Im Dauerregen fuhren wir drei dann begeistert durchs Ziel. Ein geiles Gefühl und mir langten die 9 Runden dies Jahr auch völlig.

Zeltabbau und verpacken im Regen war dann nicht so ganz mehr der Brüller, aber dafür kamen wir super durch den Verkehr.

Irgendwann in Rund 5 oder 6, kurz vor der Hohen Acht, sagte ich mir noch, nächstes Jahr mache ich was anderes, dann gibt es mal keine verdammte Nordschleife (…do you remember?…“ihr werdet sie lieben, ihr werdet sie hassen“…)

Einen Tag später kann ich gar nicht fassen, dass ich so jemals gedacht habe. So schlimm waren die Steigungen jetzt nicht, oder? Und das bisschen Regen? Alter, ich zähle bereits die Tage bis es endlich wieder losgeht.

Nordschleife – True love forever 🙂

Thomas Tremmel

Btw; die meisten Bilder mit mir und von den Impressionen stammen, mit freundlicher Genehmigung, von Sportograf. Mit Abstand der beste Fotoservice bei Rad- und Laufveranstaltungen den ich kenne. Alleine für die Bilder lohnt sich schon die Mitfahrt bei Rad am Ring.