Radspottgeschichten

Das Traumrad

Ah neiiiiinnnnn, das darf nicht wahr sein. Auch noch mit roten Schriftzügen, ich werd irre.

Was passiert ist? Mein Lieblingsradhersteller hat die neuen Rennrad-Modelle vorgestellt und da ist es mit bei:

MEIN TRAUMRAD

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Ja, okay, mein letztes Rennrad war auch schon mein Traumrad. Traumrad ist einfach ein Argument, dass man immer anziehen kann.

Argh, das muss ich haben. Ein sogenanntes Komfort-Rennrad. Komfort-Geometrie, 25er Schlappen, federnde Sattelstütze und dann noch in Anthrazit mit roten Schriftzügen. Ahhhhh, komm zu Papaaaaaa……..

Okay, wie erklär ich’s diesmal der Frau. Beim letzten Mal hatte ich auf die sportlichen Vorzüge des neuen Rennrads hingewiesen. „Jaaahaaa, weiß ich, aber damals war ich auch noch Einsteiger und wusste nicht, dass eine sportliche Geometrie so wichtig ist.“

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Wenn ich ihr diesmal was von Komfort-Geometrie erzähle, dann ist das ein Widerspruch zu meiner damaligen Argumentationskette. Frauen vergessen so etwas nicht, shit.

Wie jetzt, wenn du dir was Neues kaufen willst, dann mach’s doch einfach? Sehr witzig. Geht ja nicht um einen Schlauch für 3,95 Euro, sondern um ein Rennrad für rund 2000 Euro. Das ist nicht so einfach. Besonders, wenn:

  • das letzte Rennrad das „anschließend brauch ich aber auch nie wieder ein Neues“-Rad war
  • das letzte Rennrad das „der beste Kauf des Lebens“-Rad war
  • das letzte Rennrad das „wollte immer schon ein Rennrad in Knallrot und das gibt es nächstes Jahr nicht mehr und eine andere Farbe kommt gar nicht in Frage (auch kein Anthrazit mit roten Schriftzügen) (Schluck)“-Rad war
  • man versprochen hat, für 10 Jahre Ruhe zu geben (na ja, 2 Jahre und 1 Monat sind schon mal um)
  • die neue Schaltgruppe, die das neue Rad dann hätte, damals für überzogenen Blödsinn hielt „will ja nur das Notwendigste. Auf so einen Spielkram verzichte ich gerne“ (jetzt aber nicht mehr, nochmal-Schluck)
  • der einzige Grund für ein neues Rennrad in Wirklichkeit der folgende ist: HABEN WOLLEN!!!

Außerdem gibt es nur eine Sache auf der Welt, die für uns Männer zwar überflüssig ist, die für Frauen jedoch jedes Mal eine sinnvolle Kaufentscheidung bedeutet, obwohl sie davon schon die Schränke voll haben: Schuhe.

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Okay, zwei Strategien:
Nr. 1 Offene Konfrontation
„Okay, da gibt es ein neues Rennrad, das ich einfach haben will und ich werde es mir auf jeden Fall kaufen. Und es ist mir scheißegal was du sagst, denn solange ich hier das Geld anschaffe und du deine Füße unter meinen Tisch steckst, solange…..“
Jaja, schon klar, Scheiß-Strategie.

Nr. 2 Mit guten Argumenten schlagen
Ja, tolle Strategie, aber Argumente sind bei mir Fehlanzeige. „Weil ich das haben will“ ist nicht so wirklich das Todschlagargument.

Okay, ich setz mich einfach mal mit der Radzeitung zu meiner Frau ins Wohnzimmer. Sie blättert auch gerade in einer Frauenzeitschrift und schaut gleichzeitig Fernsehen (wie machen die das?).

Ich setz mich also aufs Sofa, schlage die Seite mit den neuen Rädern auf und sag so einfach mal in den Raum: „Na, das ist ja mal interessant.“

Meine Frau schaut weiterhin in ihre Zeitung (und in den Fernseher?!?) und äußerst kurz ihr (Des)-interesse mit einem „Hmmhmm“.

Na Bravo, sie kennt das ja schon. Rechnet aber wohl eher mit ein paar neuen windschlüpfrigen Rennradsocken oder einer 2 Gramm einsparenden Trinkflasche.

Jetzt muss ich weitermachen. „Wusstest du, dass die jetzt immer mehr Komfortrennräder bauen? Das ist viel gesünder und belastet den Körper nicht so.“

Mit nicht veränderter Blickrichtung bemerkt sie: „Schön“.

Na super, das läuft ja perfekt. Ich stehe auf und sage: „Ich hol mir was zu trinken, soll ich dir was mitbringen?“ „Nö, danke.“ Ich lege die Zeitschrift mit der offenen Seite des neuen Rennrads auf den Tisch, gehe in die Küche und komme nach 5 min mit einem Tee wieder zurück. Liegt die Zeitschrift noch genauso wie vorher? Hat sie nicht vorher etwas anders gelegen?

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Ich nehme die Zeitschrift wieder an mich. „Boah ist das schön. Mein Radhersteller hat jetzt auch ein Komfortrennrad im Programm, genauso eins, wie ich’s schon immer haben wollte. Ein echtes Traumrad.“

Uuuuu, das war gewagt, jetzt schaut meine Frau zu mir rüber: „Ach, wolltest du immer schon haben?“

„Äh ja, ich hab doch immer davon erzählt, wegen Rücken und so. Du weißt schon.“

Mist, sie klappt die Zeitung zusammen und sagt: „Ich weiß schon? Soll das so durch die Blume heißen, dass du ein neues Rennrad möchtest?“

Ohh, Time-out, Time-out. Das geht mir zu schnell. Wenn ich jetzt Nein sage, dann hab ich verloren, erst recht, wenn ich zwei Minuten später Oder doch? sage. Aber ich glaube, ein Ja kommt gerade auch nicht besonders gut.

Mittelweg: „Ich hab drüber nachgedacht.“

Leichtes Stirnrunzeln meiner Frau: „Was ist mit deinem jetzigen Traumrad? Fährt es nicht mehr?“

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Ich weiß, Einige springen jetzt auf und schreien BINGO!!! Schlag sie mit den Schuhen. Leute, wenn ich jetzt frage ‚Was ist mit deinen alten Schuhen, laufen die nicht mehr?‘, dann habe ich für Tage verschissen und das Thema Komfortrennrad hat sich auf Jahre erledigt. Nene, das verkneif ich mir.

Also weiter mit (Schein)-Argumenten: „Doch schon, aber du weißt ja, ich fahre lieber längere Touren statt schnell und da wäre so ein Komfortrennrad genau richtig. Außerdem gab es so etwas noch nicht vor 5 Jahren, sonst hätte ich mich 100%ig für dieses Rad entschieden. In Echt jetzt.“

„5 Jahre? Ich meine, du hast dir das erst vor knapp 2 Jahren zugelegt. Und war nicht die einzig akzeptable Farbe für dich ein Knallrot?“

„Äh, man muss ja auch Kompromissbereit sein. Weißt du, Gesundheit geht vor …äh… schönes Aussehen.“

„Und das gibt es auch mit dieser einfachen Einsteiger-Schaltgruppe?“

Mist, die hat sich aber auch alles gemerkt.

„Öh, nö, leider nicht. Aber da wäre ich auch kompromissbereit.“

Meine Frau legte ihren Kopf leicht schief und schaute mich durchdringend an. Ups, schnell noch was nachlegen: „Das gibt’s auch in ganz teuer, aber mir geht’s ja um die Gesundheit und da ist mir der Rahmen am wichtigsten, deshalb reicht mit die Ausstattung bei diesem 1999 Euro Modell hier.“

„Zeig mal her.“

Meine Frau schaute auf den Artikel und sah natürlich gleich, was ich eigentlich verbergen wollte. „Da gibt es aber auch schon eine Variante für 1499 Euro. Gleicher Rahmen, nur ’ne einfachere Schaltgruppe. Was ist damit? Ich meine ja nur, wegen gleicher Rahmen und Gesundheit und so?“

Mist, die olle Gurkengruppe will ich aber nicht haben. Überleg…überleg…shit…überleg…ahhhh.

„Ja, die wäre okay, aber ich habe mich ja gut informiert und bei der Variante sind leider nur die ganz einfachen Laufräder dabei. Da müsste ich dann nochmal investieren und da liege ich mit dem dem Kauf des 1999 Euro (das Wort 2000 auf jeden Fall vermeiden) Rennrad deutlich besser und günstiger.“

Meine Frau riss die Augen auf und ich legte schnell nach: „Äh, ich meinte, würde ich besser und günstiger bei liegen, wenn ich es mir denn kaufen würde. Ist ja nur mal ’ne Überlegung.“ Puh.

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„Wolltest du nicht eh fast ausschließlich nur noch MTB fahren? War da nicht auch schon das Argument mit viel sicherer, besser für den gesamten Körper, Rennrad ist eh nur für ein paar Sonnentage im Sommer? Reicht für die paar Rennradfahrten im Sommer nicht dein jetziges Rennrad, evtl. mit einem bequemeren Sattel?“

Scheiße; das MTB im letzten Herbst. Meine damalige Argumentationskette wird mir gerade zum Verhängnis. Mit dem Wort aber brauche ich jetzt gar nicht kommen. Mist, jetzt stehe ich doch mit ungewaschenem Hals da.

Ich schlug die Rennradzeitschrift zu und sagte leicht verbittert: „Ja, das war eine Fehleinschätzung von mir. Rennradfahren macht mir doch mehr Spaß als ich dachte.“

Die Sache war in diesem Moment eigentlich für mich abgehakt, da lehnt sich meine Frau entspannt zurück, nimmt wieder ihre Zeitung und sagt: „Na, dann hol’s dir doch.“

Waaah? „Äh, wie jetzt?“, fragte ich verdutzt.

„Na ja, du hast dich doch eh schon entschieden. Wenn du mit der Zeitung um die Ecke kommst, dann steht das doch schon in Großbuchstaben auf deiner Stirn geschrieben. Warum fragst du mich denn überhaupt noch?“

„Äh, mir ist deine Meinung dazu wichtig.“ Argh, das klang jetzt bestimmt unwahrscheinlich glaubwürdig.

Meine Frau schaute in ihre Zeitschrift und sagte ganz trocken: „Na gut, dann sage ich nein.“

„Äh, das ist jetzt aber auch blöd.“

Meine Frau schaut mich mit zur Seite geneigten Kopf an, lächelte und sagte: „Du weißt schon was du tust.“

Freu-freu-freu 🙂 Die verständnisvollste aller Ehefrauen 😀

Ich bin aber noch nicht ganz durch, denn das Verständnis wird nochmal auf eine harte Probe gestellt, wenn von ihr die verbotene Frage kommt: „Verkaufst du das alte Rennrad dann privat oder gibst du das in Zahlung?“

Als wenn ich das rote Rennrad verkaufen würde. Ist doch ein Traumrad

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Thomas Tremmel