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Das Stativ

Kennen Sie das unbeliebteste fotografische Zubehör überhaupt? Na klar, das Stativ. Alles in der Fotografie wird kleiner, leichter und einfacher in der Bedienung, nur das Stativ nicht. Sammeln wir doch mal ein paar Argumente für diese Behauptung, die ich so von vielen Hobbyfotografen aufgeschnappt habe:

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..und sieht manchmal auch ziemlich bescheuert aus :-).
  • Ist so schwer und umständlich.
  • Kostet Geld.
  • Der Aufbau dauert so lange.
  • Ich weiß nicht, wie ich es tragen soll.
  • Schränkt meine Flexibilität ein und behindert mich in meiner Kreativität.
  • Ist heute durch Image Stabilizer und hohe ISO-Zahlen eh überflüssig.
  • Hab ich keine Hand für frei.
  • Ist so kalt im Winter.
  • Das Motiv hat sich schon lange verabschiedet, bis ich das Ding endlich aufgebaut habe.

Um es mal auf einen Nenner zu bringen, das Ding ist immer ein Klotz am Bein.

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Au man, warum hab ich mir nicht Heizdecken zum Hobby gemacht?

Leider bestätigt unsere Einstellung zum Stativ auch eine allgemeine Tatsache:
Wir Hobbyfotografen sind einfach faule Hunde. Die Industrie hat das schon lange erkannt und stopft die Kameras auch mit entsprechenden Automatiken voll. Ist halt so.

Aber lassen wir das Stativ mal links liegen und kümmern uns um etwas, was gerade uns Männer so begeistert, die technische Vollkommenheit in der Fotografie.

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Superniedlich, oder? Und natürlich ohne Stativ, ätschebätsch.

Wenn wir uns ein neues Teil aus der Welt der Fotografie kaufen wollen, dann lieben wir es die Testberichte und Fotoforen dieser Welt nach dem schärfsten Objektiven und besten Kameras zu durchwühlen, alles natürlich im Rahmen unseres Budgets.

Uns beschäftigen dann folgende Fragen:

  • Welches Objektiv ist für diese Geldsumme das Schärfste?
  • 24 Megapixel für super Qualität ausreichend oder doch lieber 50 Megapixel?
  • Besser ISO 50 oder 100 für maximale Qualität?
  • Welches Objektiv ist schärfer, das mit oder das ohne Image Stabilizer?

Jaja, so sind wir. Keine halben Sachen, wenn schon, denn schon. In Sachen Qualität machen wir keine Abstriche.

Aber nun passiert folgendes Phänomen; schaut man sich dann, z. B. im Internet, die mit diesem Equipment fotografierten Bilder an, dann sind diese oft flau und unscharf.

Ups, was’n nu passiert?

Ein Blick auf die EXIF-Daten verrät es uns:

Brennweite: 200mm Verschlusszeit: 1/125 sec Offene Blende: f 5,6 ISO: 1600

Unser Anspruch an die Qualität reicht leider oft nur bis zum Kauf des jeweiligen Equipment. In diesem Beispiel wurde mit einer viel zu langen Zeit fotografiert, was das Bild zwar nicht komplett unscharf aber eben auch nicht knackscharf erscheinen lässt. Dazu wurde mit Offenblende fotografiert. In der Regel hat ein Objektiv bei Offenblende seine schlechteste Abbildungsleistung. Das Bild hat weniger Brillanz und die Gefahr der Randabschattungen (Vignettierung) ist hier am größten.

Um überhaupt noch fotografieren zu können, hat der Fotograf dann die ISO-Zahl auf 1600 hochgeschraubt, was die Abbildungsqualität natürlich auch noch zusätzlich verschlechtert. Evtl. wurde sogar unterbelichtet, um das Bild dann per Bildbearbeitung wieder aufzuhellen. Das mindert dann noch mal die Abbildungsqualität.

Über mangelnde oder falsche Schärfentiefe will ich hier noch gar nicht reden.

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Das bekommt man auch ohne Stativ hin? Na klar, außerdem ist die Erde eine Scheibe und Schweine können fliegen.

Wir machen uns also einen Kopp um den schärfsten Pixel von links, sind verzweifelt, wenn wir nicht die schnellste Speicherkarte haben, und fotografieren dann, als wenn die Qualität so unwichtig wäre, wie der dritte Sack Reis in China, der gerade umkippt?

Hallo? Passt doch nicht, oder?

Dabei liegt die Lösung doch so nah. Es gibt nämlich ein Zubehör, mit dem wir die maximale Qualität unseres Zubehörs nutzen können. Nein, nicht der UV-Filter, es ist…..

Tarrraaaa

….das Stativ.

War klar, oder? Wussten Sie schon? Aha. Aber, damn it, damn it, damn it, nun kommen wir zum totalen Konflikt. Auf der einen Seite sind wir Hobbyfotografen faule Hunde, und auf der anderen Seite steht die bessere Bildqualität.

Entscheiden Sie sich jetzt für den Knipser oder für den anspruchsvollen Amateurfotografen.

Knipser? Schönen Tag noch. Hier endet die Story für Dich. Die anderen können weiterlesen.

Das Stativ verbindet zwei hervorragende Eigenschaften in sich:

  1. Unterstützung zum Erreichen der jeweiligen maximalen Abbildungsqualität
  2. Unterstützung im Bildaufbau und der Bildgestaltung
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Obwohl statisch, ohne Stativ wäre dieses Bild nie entstanden.

Die Abbildungsqualität

Wie oben schon angedeutet, haben verschiedene Faktoren Einfluss auf die Abbildungsqualität, die vom Stativ unterstützt werden.

Verwacklungsgefahr

Wer glaubt, mit einem 85mm Objektiv und einer Zeit von 1/60sec sein Bild nicht zu verwackeln, der irrt. Machen Sie ein Bild mit diesen Einstellungen und dann machen Sie das gleiche Bild vom Stativ. Anschließend machen Sie eine Ausschnittsvergrößerung. Der Unterschied wird Sie verblüffen. Lassen Sie sich nicht vom Kameradisplay täuschen, denn hier wird das Bild ja sehr klein dargestellt und wirkt entsprechend scharf.

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400mm bei Blende 22 und einer Zeit von 3,2sec. Ohne Stativ keine Chance bei dem Wetter. Und die Schärfe des Pfeilers ist auf dem Original-Bild der Hammer.

Der Vorteil des Stativs in Bezug auf Verschlusszeiten ist aber natürlich die Möglichkeit auch längere Zeiten zu nutzen. Bei statischen Motiven spielt es keine Rolle welche Verschlusszeit Sie nehmen. Ihrem Bild werden Sie es nicht ansehen, ob Sie mit einer 1/2000sec oder mit 20 Sekunden fotografiert haben. Deshalb können Sie gerade bei statischen Motiven ihre Wunschblende wählen und die Verschlusszeit entsprechend anpassen.

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Welche Zeit? Total unerheblich. Ich brauchte dir richtige Blende um den Hintergrund so unscharf zu erhalten, was juckt mich hier die Zeit?

Abgesehen vom stabilen Stand der Kamera auf dem Stativ haben Sie noch zwei Möglichkeiten das Verwacklungsrisiko zu minimieren, was auch nur mit Stativ möglich ist. Sie können einen Fernauslöser nutzen, um erst gar nicht in Berührung mit der Kamera zu kommen, und die Spiegelvorauslösung. Gerade die Verwacklungsgefahr durch den Kameraspiegel wird oft vernachlässigt. Im Bereich von ca. 1/8 sec bis 2 Sekunden ist der Einfluss am größten. Kein Fernauslöser? Kein Problem, benutzen Sie den Selbstauslöser.

Seien Sie sich darüber im Klaren, ein verwacklungsfreies Bild ist nicht nur schärfer, sondern wirkt auch brillanter.

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Über 3 Minuten Belichtungszeit. Dem Stativ war’s egal, mir eher nicht; die Mücken haben mich in der Zeit aufgefressen :-/

Die Blende und der Einfluss auf die Abbildungsqualität.

In der Regel erreichen Objektive bei offener Blende ihre schwächste Abbildungsqualität. Die Bilder vignettieren, wirken flau und nicht besonders scharf. Farben machen oft den Eindruck, als wenn ein grauer Schleier drüber liegt. Besonders stark tritt dieser Effekt bei Zoomobjektiven mit großem Brennweitenbereich auf und/oder bei relativ billigen Objektiven. Abhilfe schafft ein Abblenden um ca. 2 Blenden. Weiteres Abblenden verschlechtert wieder die Abbildungsqualität aufgrund der Beugung. Um das noch mal zu unterstreichen, ein Abblenden von z. b. einer offenen Blende 5,6 auf Blende 11, kann die Abbildungsqualität erheblich steigern. Das sieht man in vielen Fällen bereits schon auf dem Kameradisplay.

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50mm Original-Festbrennweite bei offener Blende 1,4. Lassen wir die resultierende Schärfentiefe mal außen vor, aber die Vignettierung ist schon übel, oder?
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Das gleiche Bild, nur jetzt bei Blende 5,6. Nein, ich habe daran nichts digital bearbeitet, das Bild ist so aus der Kamera.

Trotzdem fotografieren Hobbyfotografen ausgesprochen viel mit offener Blende, da Zoomobjektive oft lichtschwach sind und man mehr Wert auf eine relativ kurze Verschlusszeit legt, damit das Bild nicht zu arg verwackelt.

Mit dem Stativ hat sich das erledigt. Hier kann man nun jede Blende wählen, die man möchte, ohne Rücksicht auf die Verschlusszeit. Ist doch toll, oder? Und es kommt noch besser. Ich kann die Blende wählen, die für das Bild notwendige Schärfentiefe erforderlich ist. Soll heißen, ich kann auch locker mal auf Blende 16 abblenden ohne Angst zu haben, dass die Verschlusszeit zu lang wird und mein Bild verwackelt.

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Für die erforderliche Schärfentiefe war Blende 16 erforderlich, und das bei diesem Sauwetter. Aber mit Stativ, 0 Problemo.

Mit der Möglichkeit die entsprechende Blende für die erforderliche Schärfentiefe zu wählen, kommen wir bereits in den Bereich der Bildgestaltung und sehen hier schon, wie hilfreich das Stativ für diesen extrem wichtigen Bereich in der Fotografie ist.

Bildgestaltung

Kaum jemand bringt Stativ und Bildgestaltung in Einklang. Fragt man nach dem Einsatzzweck eines Stativs, dann hört man übwiegend: „Für Langzeitbelichtung“.

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Keine Frage, solch ein Bild ist ohne Stativ nicht möglich. Im doppelten Sinne 🙂

Dabei gibt es kaum einen Bereich der unsere Bildresultate mehr verbessert als die Bildgestaltung und kein besseres Hilfsmittel als das Stativ.

Unsere Wahrnehmung ist nun einmal eingeschränkt und so fällt es uns schwer, gleichzeitig auf die Belichtung zu achten, die Scharfeinstellung genau einzustellen und dabei den kompletten Sucher nach Dingen abzusuchen, die den Bildeindruck stören könnten. Gleichzeitig soll das Bild natürlich bildwirksam gestaltet werden. Eine kurze Unterbrechung durch niesen oder ähnliches und wir können wieder von vorne anfangen.

Wie oft ist der Horizont schief oder man hat etwas bildstörendes mit auf dem Foto, weil man es übersehen hat? Wie oft sitzt die Schärfe falsch, weil man den Ausschnitt verändert hat? Wie oft ist die Schärfentiefe falsch, weil man nicht die passende Blende wählen konnte oder auf die falsche Entfernung scharf gestellt hat?

Ganz anders ist das Arbeiten mit Stativ. Hier können wir in Ruhe jeden Punkt im Sucher kontrollieren, denn die Kamera steht fest und der Ausschnitt kann sich durch unsere Bewegung nicht verändern. Passt etwas nicht, so können wie Stück für Stück diesen Ausschnitt ändern. Und das Beste, müssen wir mal niesen oder noch etwas aus der Kameratasche holen, dann bleibt uns der letzte Ausschnitt erhalten.

Ist der Horizont schief, sehen wir das jetzt deutlich besser und können entsprechend einstellen. Ich weiß, jetzt sagt der Eine oder andere, dass er das mit der Bildbearbeitung richtet, aber jedes Verrücken der Arbeitsfläche mindert wieder die Qualität und durch das Richten und anschließend notwendige Freistellen gehen uns wertvolle Pixel verloren und manchmal auch mehr.

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Schon mal versucht, eine Horizontale und Vertikale Linie ohne Stativ exakt auszurichten? Na denn viel Spaß.

Simpel und wirkungsvoll ist jetzt auch die Scharfeinstellung. Entweder gleich manuell oder unseren gewünschten Scharfstellpunkt mit dem Autofokus einstellen, Objektiv auf manuell stellen und den gewünschten Ausschnitt wählen.

Auch brauchen wir keine Messwertspeicherung für die Belichtung oder Angst haben, dass diese versehentlich falsch misst. Einfach die Belichtung messen, diese dann manuell einstellen und die Kamera auf den gewünschten Ausschnitt bzw. Perspektive stellen. Die Belichtung bleibt erhalten.

Klar, das geht auch von Hand, aber hier muss man fast alles gleichzeitig machen und beim Stativ kann man eine Sache nach der anderen erledigen.

Um das noch mal zu verdeutlichen, der größte Vorteil liegt aber tatsächlich darin, dass man den Sucher auch wirklich absuchen kann, dass man Zeit dafür hat in jede Ecke zu schauen, ob etwas im Bild stört, ob z. B. die Diagonale auch wirklich aus der Ecke kommt. Ob das Hauptmotiv richtig platziert ist und die Schärfentiefe passt.

Ob Sie mit Stativ gearbeitet haben oder nicht, man sieht es Ihren Bildern an. Nutzen Sie diesen wertvollen Vorteil.

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Und wenn Ihre Ausrüstung 20.000 Euro kostet, ohne Stativ bekommen Sie solch ein Bild nie hin.

Die Ausnahme

Natürlich gibt es Ausnahmen in denen das Stativ einfach nur hinderlich ist. Das ist immer dann der Fall, wenn maximale Flexibilität und Schnelligkeit zum Erreichen einer guten Bildwirkung erforderlich ist.

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Der Spieler veränderte immer wieder seine Position, mit Stativ hätte ich hier keine Chance gehabt. Der Bildaufbau erfordert hier aber deutlich mehr Erfahrung und Können.

Das können z. B. Sportveranstaltungen sein, wo immer wieder und sehr schnell Perspektive und Standort gewechselt werden müssen. Auch bei Portraits im Freien ist die Flexibilität und Lockerheit wichtiger als das letzte Quäntchen Schärfe.

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Ich hätt’s auch gerne mit Stativ gemacht, aber das passte nu gar nicht 😀

Viele Bereiche der Streetfotografie kommen sicherlich auch besser ohne Stativ aus und wer rennt auf einer Hochzeit schon mit Stativ rum, wenn er Schnappschüsse vom Brautpaar haben möchte.

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Die Kellnerin hätte sich bedankt, wenn ich erst mein Stativ aufgebaut hätte. Hier ist Schnelligkeit gefragt. Das Risiko von Gestaltungsfehlern ist allerdings deutlich größer.

Die Ausrede „Ich muss immer flexibel sein“ ist aber mehr als billig und bestätigt wieder die Behauptung der faulen Hunde.

Ach ja, ein Stativ erkennt man übrigens daran, dass es drei Beine hat und stabil ist. Das Plastik-Gelumpe, was größtenteils beim sogenannten Fotofachhändler oder in Markt-Ketten steht, schimpft sich zwar Dreisterweise auch Stativ, war aber mal vorzugsweise als Notenständer für Blockflöten gedacht. Deshalb machen Sie sich nicht zum Flötenheini und probieren Sie mehrere Stative aus, bevor Sie sich entscheiden. Sie werden es nicht bereuen.

Thomas Tremmel